31.10.2023 - Platz vor der Universitätsbibliothek heißt jetzt Freimannplatz

 

Die Kulturdezernentin
Dr. Ina Hartwig

PRESSEINFORMATION
31.10.2023

Platz vor der Universitätsbibliothek heißt jetzt Freimannplatz

Am Dienstag, 31. Oktober, wurde der bislang namenlose Platz vor der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg an der Bockenheimer Landstraße 134-138 in Frankfurt feierlich in „Freimannplatz“ benannt. Der Ortsbeirat 2 der Stadt Frankfurt hat die Benennung im Juni 2023 beschlossen, um damit an das bedeutende jüdische Ehepaar Therese und Aron Freimann zu erinnern, das historisch eng mit Frankfurt und der Bibliothek verknüpft ist.

Zur Einweihung sprachen der Präsident der Johann Wolfgang Goethe-Universität Prof. Dr. Enrico Schleiff, Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Dr. Ina Hartwig, die Vorsitzende des Gemeinderates der Jüdischen Gemeinde Dr. Rachel Heuberger, die Urenkelin von Therese und Aron Freimann Dr. Nehama Dresner sowie der Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten in Hessen und Antisemitismusbeauftragte der Hessischen Landesregierung Uwe Becker. Für den Ortsbeirat begrüßten die Antragsteller Suzanne Turré (CDU), Tim Hoppe (SPD), Nathaniel Ritter (FDP) und Hans-Jürgen Hammelmann (Die LINKE).

Zitate aus den Ansprachen finden Sie weiter unten bei den Statements.

Die Einweihung des Platzes fand im Rahmen der Jüdischen Kulturwochen statt und war eine Kooperation des OBR 2, der Jüdischen Gemeinde, der Goethe-Universität und des Dezernats für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt.

In den nächsten Wochen wird an der Universitätsbibliothek außerdem eine Informationstafel in deutscher und englischer Sprache zur Biografie der Freimanns und ihrer Bedeutung für Frankfurt angebracht. Sie wird voraussichtlich folgenden Text zeigen:

Therese Freimann, geb. Horovitz (1882 Frankfurt am Main – 1965 New York)
Sozialfürsorgerin

Aron Freimann (1871 Filehne, Posen – 1948 New York)
Bibliograph, Historiker und Bibliothekar

Prof. Dr. Aron Freimann entstammte einer Rabbinerfamilie. In Berlin studierte er Orientalistik, Geschichte und klassische Philologie und besuchte zeitgleich das orthodoxe Rabbinerseminar. 1896 wurde er in Erlangen promoviert; 1919 wurde ihm in Anerkennung seiner Verdienste die Titularprofessur verliehen.

Ab 1898 wirkte Aron Freimann an der Frankfurter Stadtbibliothek, der heutigen Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg. Er war Leiter der Hebraica- und Judaica-Sammlung, die größtenteils von jüdischen Frankfurterinnen und Frankfurtern gestiftet worden war und baute diese zu einer der bedeutendsten Spezialsammlungen Europas aus. Freimanns wissenschaftliches Werk umfasst mehr als 400 Publikationen. Als sein Hauptwerk gilt der 1932 veröffentlichte Frankfurter Bestandskatalog der Judaica.

Aron Freimann engagierte sich als Vertreter der Orthodoxie für die Israelitische Gemeinde Frankfurts und gehörte bis zu deren Auflösung durch die Geheime Staatspolizei zum Vorstand, zuletzt als Vorsitzender.

Therese Freimann war die Tochter von Dr. Markus Horovitz, Rabbiner der Börneplatz-Synagoge und seit 1905 mit Aron verheiratet. Sie wirkte als Sozialfürsorgerin in der gemeindlichen Wohlfahrtspflege; dort lag ihr die Kinder- und Jugendfürsorge besonders am Herzen. Sie wurde 1920 in den Beirat des Krankenhauses der Israelitischen Gemeinde berufen und bekleidete damit als erste Frau ein offizielles Verwaltungsamt der Gemeinde. Seit 1930 war sie ehrenamtliche Präsidentin der Frankfurter Zentrale für Jüdische Wohlfahrtspflege und gründete die Jüdische Notstandsküche, für die sie bis zu ihrer Emigration Verantwortung trug. Wie ihre Mitstreiterin Bertha Pappenheim war Therese Freimann im Jüdischen Frauenbund aktiv. Therese und Aron Freimann waren zudem Mitglieder des Frankfurter Ordens B'nai B'rith.

Zwei Monate nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde Aron Freimann am 30. März 1933, noch vor der Einführung des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« am 7. April 1933, zwangsweise beurlaubt und musste wenige Tage später den Schlüssel zur Bibliothek abgeben.

Im April 1939 konnten sich Therese und Aron Freimann über England in die USA zur Tochter Helene und dem Schwiegersohn retten. In New York erhielt Aron Freimann neuerlich wissenschaftliche Anerkennung als „größte lebende Autorität auf dem Gebiet der jüdischen Bibliographie“. Therese Freimann wirkte an jüdischen Wohlfahrtsorganisationen und organisierte nach Ende des Zweiten Weltkriegs die finanzielle Unterstützung jüdischer Sozialeinrichtungen in Frankfurt sowie den Versand von Care-Paketen.

STATEMENTS

Dr. Ina Hartwig, Kultur- und Wissenschaftsdezernentin: „Das Ehepaar Freimann hat sich in vielerlei Hinsicht um Frankfurt verdient gemacht. Und trotz dieser Verdienste, ihres Ansehens und ihrer Bedeutung für die Stadt, wurden die Freimanns nach dem Machtantritt der Nationalsozialistisen 1933 innerhalb weniger Wochen gesellschaftlich ausgestoßen und bald an Leib und Leben bedroht. Ich bin sehr froh, dass der Ortsbeirat 2 entschieden hat, den Platz an der heutigen Universitätsbibliothek nach Therese und Aron Freimann zu benennen und damit die historische Verantwortung unserer Stadt anerkennt. Ich hoffe und bin sicher, dass der Name Freimann somit einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und im kollektiven Gedächtnis unserer Stadt wieder präsent wird.“

Prof. Dr. Enrico Schleiff, Präsident der Johann Wolfgang Goethe-Universität: „Aron Freimann war Bibliothekar und Bibliograph, der von ihm verfasste Katalog der Frankfurter Judaica-Sammlung gilt als sein Hauptwerk mit Strahlkraft bis in die heutige Zeit“, so Universitätspräsident Prof. Enrico Schleiff: „und so wie ein Katalog der Auffindung von Inhalten und Informationen dient, so ist auch ein Stadtplan mit seinen Straßen- und Platznamen eine Informationsquelle über die geschichtliche und räumliche Entwicklung einer Stadt. Die Benennung von Straßen und Plätzen ist nicht nur eine Ehrung, sondern auch eine Verschriftlichung von Werten. Die Benennung des Platzes vor der Universitätsbibliothek, die die Judaica-Sammlung beherbergt, nach Aron und seiner Frau Therese Freimann dient in Zukunft wortwörtlich und im übertragenen Sinne der Orientierung. Kann es einen besseren Grund und Zeitpunkt für diese Würdigung geben? Mein Dank geht an den Ortsbeirat für sein Bekenntnis und seine Weitsicht!“

Dr. Rachel Heuberger, Vorsitzende des Gemeinderates der Jüdischen Gemeinde: „Die Erinnerungspolitik braucht einen langen Atem. Aber nun werden mit der Benennung des Freimannplatzes Therese und Aron Freimann in Frankfurt wieder präsent. Das Ehepaar Freimann hat für die Stadt, die Wissenschaft und die Jüdische Gemeinde unendlich viel geleistet. Für die Jüdische Gemeinde, die dieses Jahr das 75. Jubiläum ihrer Wiederbegründung feiert, schließt sich mit der Ehrung zweier herausragender Persönlichkeiten ein historischer Kreis. “

Dr. Nehama Dresner, Urenkelin von Therese und Aron Freimann: „From out of the Ashes. Aus der Asche.
As a Jewish child raised in the US, I grew up being afraid of anything German. Jews were expected not to purchase German made cars or appliances. I was horrified when I read and learned about the atrocities perpetrated against the Jewish people and others during World War II. I couldn’t imagine my elegant maternal family being any part of that.
I was always shocked to hear my mother, grandmother and aunts speak German to one another. If their home-land was filled with so many painful memories, why would they want to keep the language alive?
I am one of 4 great grand-daughters of Aron Freimann and Theresa Horovitz Freimann. My mother, Ruth Dresner, who passed away almost exactly one year ago today, should be here, at the center of this renewal, this dedication and re-dedication. Being here in her stead is a great honor for me. I cannot tell you how deeply felt your hard work and perseverance in service of Aron and Theresa Freimann’s memory means to me and to my family, and how we have all made T’shuva, we have returned.“

Uwe Becker, Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten in Hessen und Antisemitismusbeauftragte der Hessischen Landesregierung: „Mit der Benennung des Platzes vor der Frankfurter Universitätsbibliothek nach Aron Freimann wird eine Persönlichkeit geehrt, deren Wirken es zu verdanken ist, dass in Frankfurt eine in Europa einzigartige Sammlung hebräischer und jiddischer Bücher und Schriften aufgebaut werden konnte. Die Geschichte seines legendären Wirkens als Bibliothekar wie auch als Vorsitzender des Gemeinderates der Jüdischen Gemeinde wird über den schrecklichen Zivilisationsbruch der Shoah hinweg aus der Vergessenheit wieder in das Bewusstsein der Gesellschaft gerückt. Die Benennung schafft ein weiteres Ausrufezeichen, welches den Beitrag jüdischen Lebens zur Entwicklung unserer Gesellschaft aufzeigt und unterstreicht, dass jüdisches Leben ein wichtiger Teil der Identität unseres Landes ist.“

Für den Ortsbeirat 2 Suzanne Turré (CDU), Tim Hoppe (SPD), Nathaniel Ritter (FDP) und Hans-Jürgen Hammelmann (Die LINKE): „Wir freuen uns sehr, dass wir die Benennung des Platzes vor der Universitätsbibliothek Bockenheim nach Therese und Aron Freimann - trotze erheblicher Wiederstände - realisieren konnten. Die Freimanns stehen stellvertretend für die vielen Menschen jüdischer Herkunft, die durch dem von den Nationalsozialisten als "völkische Gesetzgebung" bezeichneten "Arierparagraph“ ab 1933 aus allen beruflichen und gesellschaftlichen Bereichen verdrängt wurden. Wir danken der Jüdischen Gemeinde, der Stadt und der Universität (alle Frankfurt), diesen Teil der Geschichte unseres Stadtbezirkes gemeinsam sichtbar machen.“
 

Dezernat Kultur und Wissenschaft
Pressesprecherin und Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit
Jana Kremin
Hausanschrift: Brückenstraße 3-7, 60594 Frankfurt am Main
Telefon: 069 – 212 49232; Fax: 069 – 212 49232
E-Mail: jana.kremin@stadt-frankfurt.de

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