11.07.2023 - Geschichtsort Adlerwerke empfängt Besuch aus Australien Nachfahren von KZ-Häftling besuchen Frankfurt

Die Kulturdezernentin
Dr. Ina Hartwig

PRESSEINFORMATION
11.07.2023

Geschichtsort Adlerwerke empfängt Besuch aus Australien
Nachfahren von KZ-Häftling besuchen Frankfurt

Zygmunt Świstak (1924-2022) gehörte zu den wenigen Überlebenden des Konzentrationslagers „Katzbach“ in den Frankfurter Adlerwerken. Am Mittwoch, 12. Juni, besuchten seine Tochter Jenni Hauwert-Świstak und seine Enkelin zusammen mit Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig und Thomas Altmeyer, Leiter „Geschichtsort Adlerwerke: Fabrik, Zwangsarbeit, Konzentrationslager“, den Geschichtsort. Swistak war einer von 1.616 Menschen, die im KZ ausgebeutet und gequält wurden.

In ihrem Grußwort zum diesjährigen Jahrestag des Todesmarsches aus den Adlerwerken schrieb Jenni Hauwert-Świstak: „Mein Vater litt am „Überlebensschuld-Syndrom“ und fragte sich oft, warum gerade er überlebte, während viele andere gestorben sind. Mein ganzes Leben lang habe ich gewusst, dass er täglich unter den Erinnerungen litt, und diese Erinnerungen wurden mit dem Alter schlimmer.“

Wie der Großteil der KZ-Häftlinge geriet Świstak 1944 im Warschauer Aufstand in die deutsche Gefangenschaft. Er hatte als Mitglied der "Armia Kraiowa" (Heimatarmee) gegen die deutschen Besatzer gekämpft. Świstaks Bruder Tadeusz, sein Vater Florian und sein bester Freund Zdzisław Bittner überlebten das KZ „Katzbach“ bzw. den anschließenden Todesmarsch von Frankfurt nach Osthessen nicht. Nach dem Ende des Krieges kehrte er nicht in seine schwer zerstörte Heimat Warschau zurück, sondern entschied sich für eine Ausreise nach Australien, wo er eine Familie gründete und bis zu seinem Tod 2022 lebte.

„Zygmunt Świstak verdanken wir die detaillierten Berichte vom Alltag im KZ und eindrücklichen Zeichnungen, die die Dauerausstellung im Geschichtsort auf eine sehr emotionale Weise ergänzen. Ich bin sehr froh und dankbar für den Besuch der Nachfahren und ihre Offenheit in der Zusammenarbeit mit dem Geschichtsort“, so die Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Dr. Ina Hartwig.

Der Leiter des Geschichtsort Adlerwerke Thomas Altmeyer ergänzt: „In unserer Dauerausstellung nehmen vier Zeichnungen von Zygmunt Świstak einen zentralen Raum ein. Sie versinnbildlichen die schrecklichen Lebensbedingungen der KZ-Häftlinge, die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft und die Gewalt, der sie durchgängig ausgesetzt waren. Wir freuen uns, dass der Kontakt zu der Familie auch nach dem Tod von Zygmunt Świstak nicht abreißt“.

Eindrücklich war Świstaks Video-Grußbotschaft, die er zur Eröffnung des Geschichtsort Adlerwerke im März 2022 aus Australien gesendet hatte. Aus gesundheitlichen Gründen und angesichts der Corona-Pandemie und der Entfernung war es ihm nicht möglich, vor Ort an der Eröffnung in Frankfurt teilzunehmen. Nun besuchen seine Tochter und Enkelin aus Australien die Orte, die für ihren Vater und Großvater und sein Leben von großer Bedeutung waren. Neben dem Kennenlernen des Geschichtsortes auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Adlerwerke stehen der Besuch des Hauptfriedhofes mit dem Gräberfeld der Häftlinge des KZ „Katzbach“ an. Außerdem steht ein Treffen mit zivilgesellschaftliche Akteur:innen, die an der Entstehung der Gedenk- und Bildungsstätte maßgeblich beteiligten waren, sowie ein Gespräch mit einer Schulklasse aus Schlüchtern auf dem Programm. Nach drei Tagen verlassen die beiden Frankfurt in Richtung Polen.

Zu der Rolle der Familiengeschichte für die nachfolgenden Generationen unterstrich Jenni Hauwert-Świstak: „Ich halte es für wichtig zu erwähnen, dass nicht nur die Überlebenden leiden, sondern auch ihre Nachkommen. Auch wir haben viel verloren. Ich bin eine von drei Töchtern, die durch die Grausamkeit des Konzentrationslagers ihren Onkel und Großvater verloren haben. Ganz zu schweigen von dem Verlust einer Großmutter, die an einem schwachen Herzen starb, nachdem sie vom Schicksal ihrer Familie erfahren hatte. Wir hörten seine Geschichten, wir sahen das andauernde Leiden unseres lieben Vaters und wir leben und teilen weiter seinen Schmerz. Unsere Erziehung wurde sehr stark von seiner Vergangenheit beeinflusst. Mit meiner Tochter gibt es eine weitere Generation, der ebenfalls die Familie fehlt und die seinen Schmerz erlebt hat. So wirken die Geschehnisse bis heute nach.“

Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Hartwig sagte abschließend: „Mit dem Sterben der Zeitzeugen rücken die nachfolgenden Generationen stärker in den Fokus der Erinnerungsarbeit. Es ist folgerichtig über die Bedeutung der traumatischen Geschehnisse während des Nationalsozialismus in den Familien und ihre Verarbeitung auch bei den Nachfahren der Opfer zu sprechen. Die Verantwortung für dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte endet nicht mit den letzten Zeitzeugen.“

 

Dezernat Kultur und Wissenschaft
Pressesprecherin und Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit
Jana Kremin
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