02.11.2023 - Neue Gedenktafel erinnert an die Opfer des Lagers in Griesheim

Die Kulturdezernentin
Dr. Ina Hartwig

PRESSEINFORMATION
02.11.2023

Neue Gedenktafel erinnert an die Opfer des Lagers in Griesheim

Zusammen mit dem zuständigen Ortsbeirat 6 und seiner Vorsteherin Susanne Serke und ihrer Stellvertreterin Birgit Puttendörfer übergab Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Dr. Ina Hartwig am Donnerstag, dem 2. November, die neue Gedenktafel an das Zwangsarbeiterlager in der Froschhäuserstraße der Öffentlichkeit. Der Text der Gedenktafel lautet wie folgt: „AUF DIESEM GRUNDSTÜCK BEFAND SICH VON 1943-1945 EIN LAGER FÜR ZWANGSARBEITER UND ZWANGSARBEITERINNEN DER ADLERWERKE.HIER LEBTEN DICHT GEDRÄNGT BIS ZU 2.000 MENSCHEN IN EINFACHEN HOLZBARACKEN, UMGEBEN VON EINEM HOHEN ZAUN. DIE LEBENSUMSTÄNDE ALLER WAREN HART. „OSTARBEITER“ AUS DER DAMALIGEN SOWJETUNION HATTEN BESONDERS WENIG RECHTE. WEGEN DER SCHLECHTEN VERPFLEGUNG STARBEN IN DER „AUSLÄNDERKINDER-PFLEGESTÄTTE“ MEHRERE NEUGEBORENE KINDER. ENDE 1945 WURDE DAS BARACKENLAGER ABGERISSEN UND GERIET IN VERGESSENHEIT. IN GEDENKEN AN DIE OPFER, DIE HIER ENTRECHTET, GEQUÄLT ODER ERMORDET WURDEN“. Die Tafel wurde durch das Kulturamt Frankfurt, den Ortsbeirat 6 und private Spenden finanziert.

„Das 1943 von den Adlerwerken an der Froschhäuserstraße in Betrieb genommene Zwangsarbeiterlager war bekanntermaßen eines der größten Lager in Frankfurt“, sagt Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Dr. Ina Hartwig und ergänzt: „Mit der neuen Gedenktafel erinnern wir am einstigen Ort des Lagers an die Opfer, die hier entrechtet, gequält oder ermordet wurden. Damit entsteht ein weiteres Gedenkzeichen im öffentlichen Raum für den in Frankfurt noch unzureichend erforschten Themenkomplex der NS-Zwangsarbeit. Ich danke den Initiatorinnen und Initiatoren für dieses Engagement, das wir sehr gerne unterstützt haben.“

Die für Griesheim zuständige stellvertretende Ortsvorsteherin Birgit Puttendörfer sagte: „Während des 2. Weltkrieges gab es viele Lager für Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen und eines der größten Lager war hier in unserem Stadtteil. Vergessen. Überbaut. Wir wollten verhindern, dass es künftig überhaupt nicht mehr in den Köpfen der Menschen präsent ist, was sich damals hier an dieser Stelle befand. Und freuen uns, dass wir zusammen mit den Initiatoren und den vielen Spendern mit dem Gedenkstein diesen Ort in Erinnerung halten können.“ Weiter führt Puttendörfer aus: „Der Schlusssatz auf der Bronzetafel lautet: „In Gedenken an die Opfer, die hier entrechtet, gequält oder ermordet wurden.“ Möge uns dieser Satz tagtäglich daran erinnern, dass nur ein friedliches Zusammenleben und gegenseitiger Respekt und Achtung eines jeden Menschen gegenüber verhindert, dass Ähnliches wieder geschieht, denn ohne Erinnerungskultur an die dunkelsten Zeiten unserer deutschen Geschichte besteht die Gefahr der Wiederholung.“

Das zwei Jahre vor dem Kriegsende eingerichtete Zwangsarbeiterlager an der Froschhäuserstraße war von einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben. Es umfasste 25 eingeschossige und bereits bei der Fertigstellung unzureichend ausgestattete Holzbaracken und konnte bis zu 2.000 Menschen gleichzeitig aufnehmen. Zu dem vier Kilometer entfernten Rüstungsbetrieb im Gallus mussten die meisten Lagerinsassen zu Fuß gehen, teilweise wurden sie auch auf Lkw-Ladeflächen dorthin transportiert. Die Belegung des Lagers folgte keinem festen Prinzip, unter den Insassen befanden sich „Westarbeiter“ und mehrheitlich „Ostarbeiter“, aber auch Kriegsgefangene.

Während Franzosen und Spanier, von denen sich manche freiwillig zum Arbeitseinsatz nach Frankfurt gemeldet hatten, über Pässe verfügten, die sie zum Betreten und Verlassen des Lagers berechtigten, durften „Ostarbeiter“ das Gelände nur unter Bewachung und in Kolonne verlassen. Auf Basis der sogenannten "Polenerlasse" erhielten polnische Zwangsarbeiter zum Beispiel oft eine mangelhafte Ernährung und wurden bei unerlaubten Kontakten mit Deutschen mit Strafen bis hin zur Todesstrafe belegt. Noch einmal deutlich schlechter wurden Menschen aus der Sowjetunion behandelt, die man als “bolschewistische Untermenschen” ansah.

Bei den schweren Luftangriffen im März 1944 auf Frankfurt waren im Lager an der Froschhäuserstraße, das über keine Luftschutzbunker verfügte, mehrere Zwangsarbeiter getötet und die Mehrzahl der Baracken zerstört worden. In den sechs verbliebenen Baracken und einem großen Zelt drängten sich im September 1944 rund 1.000 Personen. Als die Amerikaner Ende März 1945 in Griesheim einrückten, konnten sie in dem dortigen Zwangsarbeiterlager nur noch einige Kriegsgefangene befreien.

Die ganze Geschichte des Zwangsarbeiterlagers kann auf der vom Institut für Stadtgeschichte betreuten Webseite www.frankfurt1933-1945.de nachgelesen werden.
Der dort eingestellte Beitrag „Das Zwangsarbeiterlager Froschhäuserstraße in Griesheim“ stammt von dem Stadtteil-Historiker Sascha Mahl, dem Mitinitiator der neuen Gedenktafel.

Das Lager an der Froschhäuserstraße ist nur eines von vielen Zwangsarbeiterlagern gewesen, in denen während des Zweiten Weltkriegs in Frankfurt unmenschliche Verbrechen begangen wurden. Nach dem aktuellen Forschungsstand sind über das gesamte Frankfurter Stadtgebiet verteilt knapp 600 Adressen bekannt, an denen Zwangsarbeiter einquartiert oder beschäftigt waren. Die Kriegswirtschaft konnte aufgrund der massenhaften Einberufungen nur durch ihren Einsatz am Laufen gehalten werden. In Frankfurt sind für die NS-Zeit fast 50.000 Fremd- und Zwangsarbeiter nachweisbar, rund 25.000 Personen waren wohl jeweils gleichzeitig in der Stadt eingesetzt. Somit bestand die unter den Bedingungen des Zweiten Weltkriegs schrumpfende Einwohnerschaft der Gauhauptstadt in den Kriegsjahren zeitweise zu fast einem Zehntel aus Zwangsarbeitern, deren Präsenz in der Stadt nicht zu übersehen war.

Mit dem tatsächlichen Ausmaß der Zwangsarbeit in Frankfurt befasst sich neuerdings auch der im März 2022 auf dem ehemaligen Werksgelände eingerichtete „Geschichtsort Adlerwerke: Fabrik, Zwangsarbeit, Konzentrationslager“. Der „Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945“, der mit Unterstützung eines Fördervereins und des Dezernats Kultur und Wissenschaft den Gedenkort betreibt, erstellt zurzeit eine Datenbank zur Zwangsarbeit in Frankfurt, in der künftig nach Orten und nach Namen recherchiert werden kann.


Dezernat Kultur und Wissenschaft
Pressesprecherin und Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit
Jana Kremin
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