Mittwoch, 21. Mai

18.30 Uhr
Katja Petrowskaja "Vielleicht Esther"
Moderation: Sandra Kegel
Ort: Morgan, Lewis & Bockius LLP, Bockenheimer Landstraße 2 – 4
Eintritt: 8 / 6 Euro

Die Suche nach den polnischen Verwandten beginnt mit einem Satz der Großmutter: „Rusja studierte in Wien und Jusek in Paris“. Vielleicht sei es aber auch umgekehrt gewe­sen. Ziemlich sicher dagegen ist, dass Rusja und Jusek den Bürgersteig mit ihrer Zahnbürste geputzt haben. Ein Satz, der für das Ganze steht. Für die Totalität an Demütigung, Entrechtung und Vernichtung der europäischen Juden im deutschen Namen. Eine Nachgeborene, die Protagonistin aus Katja Petrowskajas fulminanten Debütroman „Vielleicht Esther“, legt unter der Schicht einer sowjetischen Mittel­standsfamilie das Grauen der jüdischen Vorfahren frei, von deren polnischem Teil nur noch verwischte Spuren existieren. Sie erzählt von der Kette an Zufällen, von denen die Rekons­truktion einer zerrissenen Familienbiographie abhängt. Und sie tut dies in einem Deutsch, das man so noch nicht gelesen hat.

Katja Petrowskaja wurde im ukrainischen Kiew geboren und lebt als Schriftstellerin und Journalistin in Berlin. Für einen Auszug aus „Vielleicht Esther“ (Suhrkamp, 2014) wurde sie 2013 mit dem Ingeborg­-Bachmann-­Preis ausgezeichnet, zudem war sie mit diesem Buch für den Preis der diesjährigen
Leipziger Buchmesse nominiert.
Sandra Kegel ist Literaturredakteurin im Feuilleton der F.A.Z.

18.30 Uhr
Marie-Luise Scherer "Unter jeder Lampe gab es Tanz"
Moderation: Sonja Vandenrath
Ort: Russell Reynolds Associates, Bockenheimer Landstraße 2-4
Eintritt: 8 / 6 Euro

Wie macht sie das nur? Man liest einen, bestenfalls zwei Sätze und ist gefangen für den Rest des Texte. Unterbrechen oder gar aufhören, das geht einfach nicht. Nicht bei Marie- Luise Scherer, dieser Meisterin der deutschen Sprache, dieser Virtuosin des Satzes, von dem sie sagt, dass er passen müsse wie ein Handschuh. Das tut er in diesen Dokumenten der Zeit immer und für alle Ewigkeit. Ihre Reportagen, die sie jahrzehntelang für den Spiegel schrieb, haben ihren Ruf als die literarische Stimme im deutschen Journalismus begründet. Zu Recht, denn niemand hat mit einem solch erzählerischen Atem über die Geschichten, die im banal-Bösen oder bösen Banalen stecken, geschrieben wie sie. Jüngst sind ihre Danksagungen für die ihr verliehenen Preise erschienen. Auch da funktioniert der „Scherer-Effekt“, das Talent nämlich, auch den profansten aller Genres eine höhere literarische Dignität zu geben, als sie manch opulenter Roman je wird erreichen.

Marie-Luise Scherer ist Schriftstellerin und Journalistin und lebt in Damnatz an der Elbe. Bekannt wurde sie mit ihren literarischen Reportagen für das Magazin Der Spiegel. „Unter jeder Lampe gab es Tanz“ (2014) ist ihr erstes Buch im Wallstein Verlag.
Sonja Vandenrath leitet literaTurm.

19.30 Uhr
Fritz J. Raddatz "Tagebücher 2002 – 2012"

Moderation: Richard Kämmerlings
Ort: Schauspiel Frankfurt
Eintritt: 10 / 8 Euro


Bekenntnisse eines Insiders: Fritz J. Raddatz ist aus dem literarischen Leben der Bundesrepublik nicht wegzudenken. Seine Tagebücher sind gleichsam das Protokoll eines außergewöhnlichen Werdegangs wie die Chronik des deutschen Kulturbetriebs. In ihnen gewährt Raddatz intime Einblicke in sein Privatleben und erzählt offen und pointiert von Freundschaften und Rivalitäten, Zerwürfnissen und Verlusten. Er sinniert über das eigene Altern und darüber, wie der Lauf der Dinge über Menschen und ihr Schaffen mit großen Schritten hinweggeht. Daneben zeigen die Tagebücher den streitbaren Intellektuellen einmal mehr als brillanten Beobachter und Zeitdiagnostiker, der nicht nur auf dem weiten Feld der Literatur reüssierte, sondern auch historische Ereignisse und Umbrüche, wie den Untergang der DDR oder den Ausbruch des Irakkriegs, kritisch begleitet und reflektiert hat.

Fritz J. Raddatz war stellvertretender Verlagsleiter bei Rowohlt und Feuilletonchef der Wochenzeitung Die Zeit. Er hat die Werke Kurt Tucholskys herausgegeben und zahlreiche Romane, Erzählungen, Biografien und Essays veröffentlicht. Der zweite Band seiner Tagebücher (Rowohlt, 2014) umfasst die Jahre 2002 bis 2012.
Richard Kämmerlings ist leitender Redakteur im Feuilleton der Tageszeitung Die Welt.

20 Uhr
Hanns-Josef Ortheil "Die Berlinreise"
Ort: Morgan, Lewis & Bockius LLP, Bockenheimer Landstraße 2 – 4
Eintritt: 8 / 6 Euro

Der Koffer in Berlin ist sprichwörtlich. Wird er abgeholt, dann werden Erinnerungen wach, die eine Reise in eine Zeitreise verwandeln. Im Mai 1964 fuhr der damals zwölf Jahre alte Hanns­Josef Ortheil mit seinem Vater nach Berlin, um zwei Koffer der Mutter abzuholen, die sie 1945 bei Freunden zurückgelassen hatte. Es ist eine Reise auf den Spuren der Eltern. Sie hatten hier den Krieg verbracht und bei einem Flie­gerangriff ihren ersten Sohn verloren. Der jüngere Sohn hielt in kurzen Notizen die eigenen Erlebnisse in der Mauerstadt wie auch die Erinnerungen des Vaters an seine Kriegsjahre fest. Dieses Material fließt in einen „kleinen Reiseroman“ ein, den Ortheil ein halbes Jahr nach der Reise seinen Eltern zu­eignet. Genau 50 Jahre später wird er erstmalig veröffentlicht. Die tragische Koinzidenz von Zeit­- und Familiengeschichte prägt bis heute das Verhältnis Ortheils zu Berlin.

Hanns-Josef Ortheil ist Schriftsteller und Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Univer­sität Hildesheim. Für sein umfangreiches Werk wurde er mit zahlreichen Literaturpreisen geehrt. „Die Berlinreise“ (Luchterhand, 2014) ist das zweite Reisetagebuch seiner frühen Kinderjahre.

20 Uhr
Vanessa F. Fogel & Brittani Sonnenberg "Hertzmann’s Coffee & Heimflug"
Moderation: Cécile Schortmann
Ort: Russell Reynolds Associates, Bockenheimer Landstraße 2-4
Eintritt: 8 / 6 Euro

Heimat, diese große Erfindung der Romantik, ist in Biografien, die ganz selbstverständlich zwischen Kontinenten und Spra­chen hin und her wechseln, keine Sehnsuchtskategorie mehr. Dazu bewegen sich die neuen Kosmopoliten zu souverän auf unbekanntem Terrain und in fremden Kulturen. Mag damit auch Ballast abgeworfen worden sein, so stellt sich doch die Frage nach ihrer kulturellen Verortung. Mit Vanessa F. Fogel und Brittani Sonnenberg sind zwei Au­torinnen zu entdecken, die zu diesen Kosmopoliten gehören. Die Amerikanerin Brittani Sonnenberg, die seit Jahren in Ber­lin lebt, schreibt in ihrem Debütroman „Heimflug“ über ein Leben zwischen Zeiten, Räumen und Kulturen – und das über drei Generationen hinweg. Vanessa F. Fogel erzählt dagegen in „Hertzmann´s Coffee“ von einem Familienunter nehmen, bei dem der Generationswechsel in einem Eklat mündet. Diese turbulente Geschichte mit Screwball­Charme spielt in New York, Berlin und Caracas. Die Lesung bei literaTurm ist die Deutschlandpremiere des Romans.

Vanessa F. Fogel, geboren in Frankfurt am Main, wuchs in Israel auf und studierte Komparatistik in New York. „Hertz­mann’s Coffee“ (weissbooks.w, 2014) ist ihr zweiter Roman.
Brittani Sonnenberg, geboren in Hamburg, lebt als Schrift­stellerin und Journalistin in Berlin. Ihr Debütroman „Heimflug“ (Arche, 2014) wurde von Patricia Klobusiczky ins Deutsche übersetzt.
Cécile Schortmann ist Journalistin und moderiert das 3sat-­Magazin Kulturzeit.