Michael Thonet

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Michael Thonet wurde 1796 in Boppard am Rhein geboren. Nach einer Ausbildung zum Bau- und Möbeltischler machte sich Thonet selbstständig und begann mit untereinander verleimten dünnen Holzlatten Möbel zu bauen. Thonet experimentierte mit einem Verfahren, in dem das Holz in einem Leimbad gekocht und anschließend gebogen wurde. Seine Experimente führten in den folgenden Jahren zu der Erfindung der »Möbel aus gebogenem Holz«.

Es entstanden die »Bopparder Schichtholzstühle«. Nach jahrelangen Querelen um eine Patentierung seiner Technik übersiedelte Thonet nach Wien, weil er sich dort eine Möglichkeit zur Produktion der Bugholzmöbel erhoffte. Als Mitarbeiter einer Parkettlegefirma bekam er 1843 den Auftrag den Parkettboden und die Bestuhlung für das Wiener Stadtpalais des Fürsten von Liechtenstein herzustellen. Sein dort entstandener »Liechtensteinsessel« fand sofort Bewunderer. 1849 machte er sich in Wien gemeinsam mit seinen Söhnen mit einem eigenen Tischlerbetrieb selbstständig. Weil seine Bugholzstühle von anderen Tischlern kopiert wurden, begann Thonet seine Sitzmöbel mit einem Prägestempel zu kennzeichnen. Der »Sessel Nr.1« entstand nach dem Vorbild des »Liechtensteinsessels«. Die revolutionäre Innovation dieses Möbelstücks bestand darin, dass die vier Fertigteile, aus denen der Sessel gefertigt war, mit Teilen anderer Modelle kombiniert werden konnte.

Dies war die Grundlage für eine Fertigung nach industriellen Gesichtspunkten, der Beginn der Typisierung. 1851 beteiligte sich Thonet an der Londoner Weltausstellung und präsentierte dort seine Sitzmöbel als Ensemble. Zwei Jahre später gründete Thonet eine Fabrik, die er an seine fünf Söhne übertrug, und unter dem Namen »Gebrüder Thonet« leitete. Die Gebrüder Thonet erhielten das für die industrielle Produktion wichtige Privileg »zum massiven Biegen von Sesseln und Tischfüßen«. Im Jahr 1859 begannen sie den »Wiener Kaffeehausstuhl« zu produzieren. Der »Sessel Nr.14«, wie er ursprünglich hieß, wurde bis 1930 50 Millionen Mal verkauft, er gilt als DAS Industrieprodukt des 19. Jahrhunderts.

Mit seinen wenigen zerlegbaren Fertigteilen war er prädestiniert für den Export. Die handwerkliche Stuhlfertigung war passé, die Thonets produzierten um 1860 bereits 200 Stühle und andere Möbelstücke täglich. Es folgte das »Thonet-Rad«, der erste Schaukelstuhl aus gebogenem Holz und ein Plakat, auf dem alle lieferbaren Thonet-Möbel abgebildet waren. Die Produktion verdoppelte sich innerhalb von drei Jahren. Die Gebrüder Thonet verkauften ihre Möbel inzwischen weltweit. Als Michael Thonet 1871 starb, hatte die Firma Verkaufsniederlassungen in allen Metropolen Europas, in Russland und den USA.

Fast 20 Jahre nach dem Tod des Firmengründers 1889 errichteten die Gebrüder Thonet ihre erste deutsche Fabrik im nordhessischen Frankenberg. Sie entwickelten hier den ersten Bürodrehstuhl der Welt. Die Bugholzmöbel der Firma Thonet waren im Jugendstil ebenso populär wie in der Bauhaus-Ära, wo sie auf der Werkbund-Ausstellung in Stuttgart zu sehen sind. 1921 wandelten die Gebrüder Thonet ihr Familienunternehmen in eine Aktiengesellschaft um. Zwei Jahre später schlossen sie sich mit der Mundus-AG zum größten Möbelhersteller der Welt zusammen. Die Firmenphilosophie, auf dem Sitzmöbelmarkt immer so innovativ wie möglich zu sein, wurde von den Thonet-Brüdern konsequent verfolgt. Thonet-Mundus sicherte sich 1928 die Rechte an den besten Entwürfen aus dem Dessauer Bauhaus und schloss 1931 einen Lizenzvertrag mit Ludwig Mies van der Rohe.

Im Dritten Reich wurde der Thonet-Mundus Konzern aufgelöst. Leopold Pilzer, Hauptaktionär der Mundus AG, musste wegen seiner jüdischen Abstammung flüchten. Die Gebrüder Thonet erhielten alle Thonet-Aktien der deutschen und österreichischen Gesellschaft »Gebrüder Thonet« im Tausch gegen die Mundus-Aktien zurück und konnten in Deutschland weiter produzieren. 1945 wurde das Werk in Frankenberg total zerstört. Nach Enteignungen in Osteuropa und dem Verlust des gesamten Familienvermögens begann Georg Thonet das Unternehmen nach dem Krieg wieder aufzubauen. Er machte den ehemals kleinsten Standort der Thonets in Frankenberg zum neuen Hauptsitz.

Die Thonet-Stühle stehen heute im Museum of Modern Art in New York.

Im Jahr 1899 sagte der Wiener Avantgarde-Architekt Adolf Loos über die Thonet Bugholzsessel, es habe seit Aischylos nichts Klassischeres mehr gegeben.