Eva Schestag übernimmt Monika-Schoeller-Dozentur für literarisches Übersetzen
Wintersemester 2025/26
Die in Gedenken an die Verlegerin und Förderin von Literatur und Übersetzung Monika Schoeller in Frankfurt am Main eingerichtete Dozentur, die dem Feld der literarischen Übersetzung gewidmet ist, wird in diesem Jahr zum zweiten Mal besetzt. Die renommierte Übersetzerin und Sinologin Eva Schestag übernimmt die Dozentur zum Wintersemester 2025/26. Zu Beginn des Semesters hält sie einen öffentlichen Vortrag (30.10.2025) und am Ende eine Lesung (11.1.2026). Im Rahmen des Begleitseminars ‚Chinesische Dichtung westwärts‘ zur Monika-Schoeller-Dozentur, das an der Goethe-Universität durchgeführt wird, hält Eva Schestag zwei ganztägige Workshops ab (31.10.2025 & 22.1.2026), zu denen auch externe Interessierte herzlich eingeladen sind. Chinesisch-Kenntnisse werden für die Workshop-Teilnahme nicht vorausgesetzt. Die Teilnahme an allen Veranstaltungen ist kostenlos.
Eva Schestag übersetzt Lyrik und Prosa aus dem klassischen und modernen Chinesischen sowie aus dem Englischen. Ihre Arbeit wurde vielfach durch Stipendien und Residenzen, unter anderem der Fondation Jan Michalski und der Roger Willemsen Stiftung, ausgezeichnet. Als Gastdozentin für literarisches Übersetzen lehrte sie am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Goethe-Universität. Zu ihren wichtigsten Publikationen gehören die vierbändige Anthologie ‚Sammlung Chinesischer Klassiker‘ mit Olga Barrio (S. Fischer, 2009), der klassische chinesische Roman ‚Die Drei Reiche‘ (S. Fischer 2017), ‚Manifest ohne Grenzen‘ des Künstlers Ai Weiwei (kursbuch.edition, 2019) sowie ‚Schattenvolk‘ von Can Xue, der bedeutendsten Vertreterin der experimentellen literarischen Avantgarde Chinas (Matthes & Seitz Berlin 2024). Der Schwerpunkt ihres Interesses, der sich unmittelbar aus der praktischen Arbeit des Übersetzens ergibt, liegt auf der Theorie des Lesens und der Kunst der Auslegung.
Donnerstag, 30. Oktober, 19 Uhr
Der Sprung ins Bild. Von der Subjektlosigkeit chinesischer Lyrik
Vortrag von Eva Schestag
Freies Deutsches Hochstift, Arkadensaal
„Die Legende des chinesischen Malers, der mit einem Sprung in seinem eigenen Bild verschwindet, ist nie restlos ausgelegt worden. Eva Schestag liest die Szene als Metapher für die Abwesenheit eines lyrischen Ich in chinesischen Gedichten und spricht über die Herausforderungen, die sich dabei für die Übersetzung ergeben, sowie über die Kunst, den Zwiespalt zweier radikal unterschiedlicher Sprachen als poetische Kraft zu erfahren.
Freitag, 31. Oktober, 10 – 15 Uhr
Workshop 1: Aus dem Chinesischen Übersetzen Han Shan – Der Kalte Berg
Freies Deutsches Hochstift, Arkadensaal, Anmeldung bis 15.11.2025 erforderlich.
Im Rahmen des Begleitseminars zur zweiten Monika-Schoeller-Dozentur für literarisches Übersetzen mit Eva Schestag, das im Wintersemester 2025/26 unter dem Titel ‚Chinesische Dichtung westwärts‘ an der Goethe-Universität durchgeführt wird, hält Eva Schestag einen ganztägigen Workshop ab. Im Mittelpunkt der Veranstaltung, zu der externe Interessierte herzlich eingeladen sind, steht der chinesische Dichter Han Shan (8. Jahrhundert), der im Westen durch die amerikanische Übersetzung von Gary Snyder und die deutsche Variation einiger Gedichte durch Rolf Dieter Brinkmann bekannt geworden ist. Anhand eines Vierzeilers, den Eva Schestag Zeichen für Zeichen vorstellt, wollen wir die poetische Form und Kraft eines chinesischen Gedichts verstehen und uns an eine eigene oder kollektive Übersetzung wagen. Im Anschluss an den Workshop ist der Dichter Ulf Stolterfoht zu Gast und präsentiert seine Variationen auf Han Shan in einer Lesung mit anschließendem Gespräch.
Freitag, 31. Oktober, 15.30 – 17 Uhr
„Chinesische Dichtung westwärts“ die mappe hochwechsler: 150 gedichte von der kalten alp
Lesung und Gespräch mit Ulf Stolterfoht
Freies Deutsches Hochstift, Arkadensaal
Der Lyriker Ulf Stolterfoht, der dieses Jahr mit dem Ernst-Jandl-Preis ausgezeichnet wurde, liest aus seinem neuesten, noch unveröffentlichten Werk ‚die mappe hochwechsler. 150 gedichte von der kalten alp‘. Inspiration für die 150 Gedichte, die Stolterfoht in diesem Sommer in der Oststeiermark geschrieben hat, sind die Figur und die Gedichte von Han Shan. Han Shan war ein zenbuddhistischer Dichter, der im 7. Jahrhundert. in China lebte, und sich irgendwann auf einen Berg zurückzog und dessen Namen annahm: Han Shan, Kalter Berg. Eva Schestag, die diesjährige Gastdozentin und Sinologin, sowie Judith Kasper (Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft) und Frederike Middelhoff (Professorin für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft) werden mit Ulf Stolterfoht im Anschluss an die Lesung ein Gespräch über das Verhältnis zwischen Original und Übersetzung und Nachdichtung führen.
Mittwoch, 21. Januar, 19.30 Uhr
roh und zart. Chinesische Literatur im Spiel der Macht
Lesung und Gespräch mit Eva Schestag
Frankfurter Bürgerstiftung, Holzhausenschlösschen
Lesen und Schreiben war im alten China einer kleinen Elite vorbehalten, die Literatur schon sehr früh als Amt und Akademie dem Machtbereich des Kaisers unterstellte. Im zwanzigsten Jahrhundert, nach dem Fall des chinesischen Kaiserreichs, machten die politischen Umbrüche auch vor der Literatur nicht Halt: Sie sollte demokratisiert und in den Dienst der Politik gestellt werden. In Lesung und Gespräch wird die Frage nach der Verbindung zwischen Gewalt und Poesie erkundet und zugleich ein Panorama der chinesischen Literatur eröffnet. Die Stimmen von Despoten und die Stimmen derer, die der Unterdrückung zum Trotz schreiben, sollen ebenso zu Wort kommen wie deutschsprachige Nachdichter von chinesischer Lyrik im Exil.
Donnerstag, 22. Januar, 10 – 15.30 Uhr
Workshop 2: Aus dem Chinesischen Übersetzen Nachdichtungen – Bertolt Brecht und Albert Ehrenstein
Freies Deutsches Hochstift, Arkadensaal, Anmeldung bis 10.1.2026 erforderlich
Im Exil haben sowohl Bertolt Brecht als auch Albert Ehrenstein chinesische Gedichte aus dem Englischen (oder Lateinischen und Französischen) ins Deutsche übertragen, letzterer hat zum Teil auch deutsche Nachdichtungen von Friedrich Rückert oder Interlinearversionen von Erwin von Zach überarbeitet bzw. ihnen seine eigene expressionistisch übersteigerte Stimme verliehen. Für beide Dichter war China eine Art Sehnsuchtsort, wo die Arbeiter und Bauern sich erfolgreich gegen die Obrigkeit erhoben hatten. Im Workshop wollen wir die Nachdichtungen von Brecht und Ehrenstein mit den englischen Übersetzungen und den chinesischen Originaltexten (anhand von Interlinearversionen) vergleichen, um nachzuvollziehen, welche inhaltlichen, formalen und poetischen Entscheidungen die beiden Dichter getroffen haben, um nicht nur eine Übersetzung (aus zweiter Hand), sondern ein Gedicht mit seinem eigenen spezifischen Gewicht zu schaffen. Ermutigt von der Unerschrockenheit, mit der Brecht und Ehrenstein sich das fremde lyrische Material zu eigen machten, wollen auch wir eine eigene oder kollektive Nachdichtung von ein oder zwei Gedichten wagen.
Initiiert und getragen wird die Dozentur von der S. Fischer Stiftung und dem Freien Deutschen Hochstift in Zusammenarbeit mit dem Institut für Deutsche Literatur und ihre Didaktik sowie mit dem Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main.