28.10.2022 - Überlebende der Massendeportation Edith Erbrich wird 85

 

Die Kulturdezernentin
Dr. Ina Hartwig

PRESSEINFORMATION
28.10.2022

Überlebende der Massendeportation Edith Erbrich wird 85

Am 28. Oktober begeht eine der letzten Überlebenden der Frankfurter Massendeportationen Edith Erbrich ihren 85. Geburtstag. „Ich verneige mich vor dem Schicksal und der Lebenskraft der Jubilarin. Ihr Mut, über die schlimmsten Momente ihrer Vergangenheit zu sprechen und ihre Erfahrungen an die nächsten Generationen weiterzugeben, erfüllt mich mit großer Bewunderung. Ich schätze Edith Erbrich als eine engagierte Zeitzeugin und wünsche ihr weiterhin eine gute Gesundheit für das neue Lebensjahr und einen ehrenvollen Tag im Kreise Ihrer Liebsten“, gratuliert Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Dr. Ina Hartwig.

Vor 85 Jahren am 28. Oktober 1937 kommt Edith Erbrich als zweites Kind von Norbert und Susanna Bär zur Welt. Ihre Mutter ist katholisch, ihr Vater jüdisch. Die im Ostend lebende Familie ist seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten zahlreichen Repressalien, Diskriminierung bis hin zur Angst um das eigene Leben ausgesetzt. Im Jahr 1942 werden die geliebten Großeltern ins KZ Theresienstadt deportiert, wo der Großvater bereits nach drei Tagen verstirbt. Die Mutter Susanna Bär wird im gleichen Jahr für 21 Tage in Beugehaft genommen, weil sie verweigert, sich von ihrem jüdischen Ehemann scheiden zu lassen. Edith und ihre Schwester dürfen als jüdische Kinder keine Schule besuchen. Die Repressalien erreichen ihren Höhepunkt mit dem „Einfindungsbescheid“ für die beiden Mädchen und ihren Vater. Sie kommen in einen der letzten Transporte, der am 14. Februar 1945 - nur wenige Wochen vor dem Einmarsch der amerikanischen Armee - mit Viehwagons die Frankfurter Großmarkthalle in Richtung Theresienstadt verlässt.

Die Frankfurter Großmarkthalle war zwischen 1941 und 1945 Ausgangspunkt für Massendeportationen von mehr als 10.000 jüdischer Bürgerinnen und Bürger aus Frankfurt und der Umgebung. Seit 2018 ist der 19. Oktober, das Datum der ersten Massendeportation im Jahre 1941, ein offizieller Gedenktag der Stadt Frankfurt am Main.

Im KZ Theresienstadt werden Edith und ihre Schwerster von ihrem Vater getrennt und in ein Kinderheim geschickt, wo sie stets unter Hunger, Willkür und Angst leiden. Edith erkrankt schwer. Dass sie am 8. Mai die Befreiung des KZ durch die sowjetische Armee erlebt, ist ein großes Glück, denn die damals Siebenjährige stand bereits für den 9. Mai auf der Liste für die Gaskammern von Auschwitz. Zusammen mit ihrer Schwester und dem Vater kehrt Edith zurück nach Frankfurt. Nach ihrem Schulanschluss absolviert sie ab 1954 eine Lehre bei der „Frankfurter Rundschau“.

Erst 50 Jahre nach der Deportation besucht Edith Erbrich 1995 zum ersten Mal Theresienstadt. Die Ausstellung des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945 e.V. „Kinder im KZ-Theresienstadt“ bewegt sie schließlich zur persönlichen Aufarbeitung ihrer Kindheitserinnerungen in dem Buch „Ich hab das Lachen nicht verlernt“. Seitdem engagiert sich die Zeitzeugin und Holocaustüberlebende mit viel Herzblut für die Erinnerungsarbeit. Im Jahr 2007 wird sie mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.

Eine Ehrung anderer Art erhält sie von der Stadt Frankfurt am Main. Nach ihr wird der Edith-Erbrich-Steg benannt, eine kleine Brücke, die zur im November 2015 eröffneten Erinnerungsstätte an der Großmarkthalle führt. Auch ein Zitat von Edith Erbrich ist da zu finden: „Meine Mutter hatte für uns das Notwendigste gepackt. Sie wollte freiwillig mit, aber sie durfte nicht. Als sich die Schiebetür geschlossen hatte, wurde sie noch einmal geöffnet. Ein Mann rief: „Hebt die beiden Mädchen hoch, ihre Mutter will sie noch einmal sehen!“

Der Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945, dem Edith Erbrich seit Jahrzehnten sehr verbunden ist und dessen Ehrenmitglied sie ist, hat in kleinem Kreis zu einem Geburtstagsempfang eingeladen. In der Einladung hieß es, die Jubilarin möchte keine Geschenke. Vielmehr freue sie sich über Geldspenden, um die ihr wichtigen Projekte zu fördern.


Dezernat Kultur und Wissenschaft
Pressesprecherin und Leitung der Öffentlichkeitsarbeit
Jana Kremin
Hausanschrift: Brückenstraße 3-7, 60594 Frankfurt am Main
Telefon: 069 – 212 49232; Fax: 069 – 212 97 49232
E-Mail: jana.kremin@stadt-frankfurt.de

Zurück  |  Drucken  |  Versenden