19.10.2022 - Gedenken an die erste Massendeportation aus Frankfurt

 

Die Kulturdezernentin
Dr. Ina Hartwig

PRESSEINFORMATION
19.10.2022

Gedenken an die erste Massendeportation aus Frankfurt

Mit einer Gedenk- und Vortragsveranstaltung hat die Stadt Frankfurt am Main an die erste Massendeportation von Jüdinnen und Juden aus Frankfurt am 19. Oktober 1941 erinnert. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand der wissenschaftliche Vortrag „Die Spuren geraubter Bücher. Provenienzforschung an der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main” des Historikers Daniel Dudde.

Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig begrüßte die Gäste in der Paulskirche für den Magistrat: „Ein Gedenktag ist ein wiederkehrendes Ritual und birgt als solches die Gefahr, zur jährlich wiederholten Routine zu verkommen. Doch die Erinnerungskultur ist alles andere als statisch. Wir verbinden die Gedenkstunde an die Massendeportationen daher bereits seit 2020 mit aktuellen Fachvorträgen zur wissenschaftlichen Erforschung des Holocaust und der nationalsozialistischen Herrschaft. Das von der Stadt Frankfurt geförderte Provenienzforschungsprojekt der Universitätsbibliothek widmet sich einem bisher zu Unrecht kaum beachteten Aspekt, nämlich den während der NS-Zeit in Frankfurt geraubten Büchern. Gerade vor dem Hintergrund der kürzlich eröffneten Buchmesse scheint eine Auseinandersetzung damit angebracht.“

Daniel Dudde betonte in seinem Vortrag: „Bei der Provenienzforschung in der Bibliothek stößt man regelmäßig auf verschiedensten Eintragungen, durch die ein Buch zum Sprechen gebracht werden kann. Zugleich können die Bücher dadurch die einzigen erhaltenen Zeugnisse der Existenz einer in der Shoa ermordeten Familie sein. Die Bücher weisen oft keinen materiellen Wert auf, können dafür durch ihre persönlichen Eintragungen aber einen emotionalen und einzigartigen Wert für die jeweilige Familie besitzen.“

Daniel Dudde ist seit 2020 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im ersten Provenienzforschungsprojekt zur Auffindung von NS-Raubgut in den Beständen der Universitätsbibliothek der Goethe-Universität. Es handelt sich hierbei um ein gemeinsames Forschungsprojekt der Universitätsbibliothek und der Stadt Frankfurt, das vom Zentrum Deutsche Kulturgutverluste in Magdeburg gefördert wird. Die Bücher aus den Beständen der Universitätsbibliothek sind zum Teil Eigentum der Stadt Frankfurt am Main und werden als Dauerleihgaben in der Universitätsbibliothek aufbewahrt.

Bibliotheken nahmen als Orte von Forschung und Bildung nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten eine herausgehobene Rolle ein. Die Vorgänger der heutigen Universitätsbibliothek übten ihre Aufgaben weiterhin aus und handelten als Teil der städtischen Verwaltung formal gesehen nach den damals geltenden Gesetzen. Dabei traten einige Akteure durch ihre Nähe zum Nationalsozialismus besonders in den Vordergrund. Außerdem waren Frankfurter Bibliotheken an der systematischen Plünderung und Verwertung der Besitztümer verfolgter Personen und Institutionen beteiligt.

Die Veranstaltung wurde musikalisch umrahmt von Jagdish Mistry (Ensemble Modern) der auf der Violine „… när korpen vitnar“ (2003) von Malin Bang sowie „A Lullaby for Lalit“ (2001) von George Benjamin spielte.

Der 19. Oktober ist seit 2018 ein offizieller Gedenktag der Stadt Frankfurt am Main. Am 19. Oktober 1941 wurden 1.100 Frankfurter Jüdinnen und Juden ohne Vorankündigung und gewaltsam aus ihren Wohnungen verschleppt und durch die SA quer durch die Stadt zur Frankfurter Großmarkthalle getrieben. In den Kellern der Halle wurden sie gedemütigt und misshandelt, um schließlich über das Gleisfeld deportiert zu werden. Ziel der ersten Deportation war das Getto Łódź im besetzten Polen. Drei Personen haben diese Deportation überlebt. Seit 2015 erinnert die Erinnerungsstätte an der Großmarkthalle an diese erste Massendeportation.


Dezernat Kultur und Wissenschaft
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